03.04.2020 - Kommentare

Im Namen der Krise: Geld her!

von Thomas Mayer


Letzten September beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank, das Anleihekaufprogramm mit Käufen von 20 Milliarden Euro pro Monat wieder aufzunehmen. Am 12. März kündigte der Rat die Aufstockung des Programms um 120 Milliarden Euro für das Jahr 2020 an und am 18. März legte er mit einem 750 Milliarden Euro schweren „Pandemie-Anleihekaufprogramm“ nach. Damit stellt die EZB in diesem Jahr der Wirtschaft und den Eurostaaten über Anleihekäufe 1,11 Billionen Euro neues Geld zur Verfügung. Bezieht man noch die großzügigen Kreditprogramme für die Banken ein, sollte man meinen, dass es keinem Eurostaat an Geld zur Bekämpfung der Corona Pandemie mangeln würde. Dennoch fordert eine Reihe von Staatschefs und Ökonomen die Emission von Anleihen mit gemeinsamer Haftung aller Eurostaaten. Der alte Vorschlag für Eurobonds wird nun unter dem neuen Namen Corona Bonds wieder aufgewärmt.

Die Namensänderung verrät, dass die Krise zur Moralisierung der Politik genutzt wird. Abseits der eigentlichen Notwendigkeiten wird ein unwiderstehlicher Druck auf widerspenstige Politiker ausgeübt, um sie zur Zustimmung zu Corona Bonds oder zum Zugang zu den Mitteln des Europäischen Stabilitätsmechanismus ohne Auflagen zu bringen. Deutsche und Angehörige anderer Staaten, die sich der Vergemeinschaftung der Schulden noch widersetzen, werden als schlechte Europäer und böse Nachbarn dargestellt. Italienische Politiker fordern in deutschen Medien Corona Bonds, aber die italienischen Medien gehen über die Aufnahme italienischer Patienten in deutsche Intensivstationen hinweg. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis deutsche Politiker wie in der Griechenlandkrise wieder mit Hitlerbart und Hakenkreuzarmbinde dargestellt werden. Sie werden dem Druck schließlich nicht mehr widerstehen können.

Aber, so werden die Corona Bonds Aktivisten einwenden, weisen uns denn nicht die anderen Länder von den USA bis Japan den Weg? Der Zentralstaat emittiert Anleihen zur Bekämpfung der Pandemie und Stützung der Wirtschaft, und die Zentralbank sorgt dafür, dass diese Anleihen zu niedrigen Zinsen abgesetzt werden können. Die Europäische Währungsunion sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Was sie jedoch verschweigen, ist, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen Ländern mit einer nationalen Währung und der Eurozone gibt. Dort haben es die Wähler in der Hand, zu bestimmen, wie weit der Staat und die Zentralbank gehen können. Im Euroraum können jedoch einzelne Staaten von den EZB Anleihekäufen und gemeinsamen Anleihen profitieren und die Kosten für diese Aktionen auf andere Länder abwälzen. Um das zu begrenzen, gab es Finanzhilfe vom Europäischen Stabilitätsmechanismus bisher nur gegen Auflagen und die EZB hat vor Ausbruch der Corona Pandemie ihre Käufe entsprechend dem Anteil der Länder an ihrem Kapital aufgeteilt. Nun will die EZB die Aufteilung der Käufe „flexibel“ gestalten, so dass sie besonders hoch verschuldeten Staaten mehr Hilfe leisten kann. Die Europäische Kommission hat die Regeln des Stabilitätspakts ausgesetzt und Geld soll durch die Emission von gemeinsamen Anleihen ohne Konditionalität fließen. Die Folgen kann man etwa so verdeutlichen: Eine Gruppe von Arbeitskollegen geht in ein Restaurant. Alle bestellen, was sie wollen, und am Ende wird die Rechnung in gleiche Beträge aufgeteilt. Wer die teuerste Bestellung aufgibt, profitiert, wer bescheiden bleibt, verliert. Jeder hat also einen Anreiz, die Rechnung möglichst groß zu machen. Kommt sie dann, muss die Gruppe vielleicht feststellen, dass sie zusammen nicht genug Geld hat, die Rechnung zu begleichen.

Es wäre naiv, anzunehmen, die Finanzmärkte würden den durch die Vergemeinschaftung der Schulden geschaffenen Anreiz, anderer Leute Geld auszugeben, nicht durchschauen. Die Zinsen werden natürlich nicht steigen, solange sie durch Anleihekäufe der EZB gedeckelt werden. Aber die Akteure auf den Devisenmärkten werden die Monetisierung überbordender Schulden in Betracht ziehen. In den siebziger Jahren hat Milton Friedman am Beispiel des mexikanischen Pesos geschildert, wie die Devisenmärkte reagieren könnten. Der Peso war damals von der mexikanischen Regierung an den US Dollar gekoppelt. Mit der Zeit bildete sich eine Zinsdifferenz zu Gunsten des Pesos heraus. Es schien, dass die Marktakteure durch in Dollar finanzierte Anlagen in Pesos risikolose Gewinne erzielen konnten. Doch aufgrund der inflationären Politik der mexikanischen Regierung war die Anbindung an den Dollar schließlich nicht mehr zu halten und der Peso wertete schlagartig ab. In die ökonomische Literatur ging der abrupte Kollaps der Währung als „Peso Problem“ ein. Möglicherweise erleben wir sein Comeback als „Euro Problem“.

Anleger sollten sich daher auf eine starke Abwertung des Euro einstellen. Seit Mitte letzten Jahres hat der Euro gegenüber dem Gold schon 25 Prozent an Wert verloren. Festigt sich der Eindruck, dass die Geldschöpfung der EZB zur Finanzierung der Verschuldung im Euroraum außer Kontrolle gerät, dürfte den Euro das Schicksal des mexikanischen Pesos ereilen.

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