19.09.2024 - Kommentare
Die Inflation gilt als besiegt. Als Beleg für diese Einschätzung beendete die Fed den schnellsten Zinsanhebungszyklus der jüngeren Geschichte der USA. Was bedeutet dies für die Performance von Aktien einzelner Sektoren? Ohne neu aufflammende Inflationssorgen steht weiter steigenden Kursen, insbesondere im IT-Sektor, makroökonomisch nichts entgegen.
Im Jahr 2023 haben wir - unter dem damals noch frischen Eindruck hoher Inflationsraten - den Einfluss von Veränderungen der Inflationserwartungen auf die Aktienrenditen einzelner Sektoren untersucht.1 Wir kamen zum Ergebnis, dass steigende Inflationserwartungen direkt und über die Zins- und Konjunkturerwartungen die Aktienkurse je nach Sektor unterschiedlich beeinflussen: Der amerikanische Aktienindex S&P 500 und insbesondere sein IT-Sektor leiden unter steigenden Inflationserwartungen, der Energiesektor profitiert und der Basiskonsumgütersektor bleibt unverändert.
Empirisch beobachteten wir folgendes: Als die Inflationsrate Anfang des Jahres 2022 auf fast neun Prozent stieg und die Inflationserwartungen gemessen an der 10-jährigen Breakeven-Inflation die Marke von drei Prozent erreichten, mussten Investoren ohne Energietitel im Portfolio höhere Kursverluste verdauen (Abb. 1). Ab März 2022 reagierte die US-Notenbank Fed mit Zinsanhebungen. Die Post-Pandemie-Rally am US-Aktienmarkt fand damit im Frühjahr 2022 ein Ende (Abb. 1, oberes Panel). Über die Sommermonate stand die Frage im Raum, ob die US-Notenbank Fed den Kampf gegen die Inflation gewinnen könnte. Ab Herbst stabilisierten sich sowohl die Inflation als auch die Inflationserwartungen auf niedrigeren Niveaus. Seitdem trug der IT-Sektor den gesamten S&P 500 von Höchststand zu Höchststand. Ein Verzicht auf IT-Aktien kam Investoren teuer zu stehen und der Energiesektor verschlechterte diesmal die Performance.
Neben den angesprochenen makroökonomischen Effekten sollte man für die seit Ende 2022 andauernde Aktienkurs-Rally einen weiteren wichtigen Punkt erwähnen: Der technologische Fortschritt und die damit verbundene höhere Produktivität des Faktors „Kapital“ haben die Aktienbewertungen seit einiger Zeit auf neue Niveaus gehoben. Diesen Zusammenhang hat unser Kollege Thomas Mayer bereits im Frühjahr ausführlich dargelegt.2
In unserer Studie aus dem letzten Jahr haben wir anhand eines einfachen Vektor-Autoregressiven Modells die Auswirkungen veränderter Inflationserwartungen auf die Aktienrenditen verschiedener Sektoren geschätzt (Abb. 2). Aktualisiert um die Datenpunkte bis Ende August, führt nach unseren Schätzungen ein Anstieg der Inflationserwartungen um eine Standardabweichung (ca. 44 Basispunkte), zu einer Rendite im IT-Sektor, die 15 Monate später ca. 18 Prozentpunkte niedriger als ohne den Anstieg der Inflation gewesen wäre. Die Performance des Gesamtindex wäre 10 Prozentpunkte niedriger und die, des Energiesektor um ca. sieben Prozentpunkte höher als ohne den Inflationsanstieg.
Unser ökonometrisches Modell nimmt per Konstruktion an, dass die Wirkung von Senkungen oder Steigerungen der Inflationserwartungen auf die Aktienkurse gleich stark ist. Die Realität zeigt sich jedoch asymmetrisch: Der S&P 500 reagiert bei sinkender Inflation empirisch stärker nach oben, als er bei steigender Inflation nach unten korrigiert.3 Die Versuche, die Asymmetrie zu quantifizieren, zeigen stark schwankende Schätzungen der Modellparameter, sodass die Größenunterschiede von positiven und negativen Inflationsüberraschungen zunächst ungewiss bleiben. Robust ist jedoch die Asymmetrie an sich: Sinkende Inflationserwartungen helfen den Kursen mehr als steigende ihnen schaden.
Letztlich heißt das: Ohne eine Inflationsüberraschung, die die Breakeven-Inflation erneut nach oben treibt, scheint dem derzeitigen Aufwärtstrend des S&P 500 makroökonomisch nichts entgegenzustehen. Insbesondere dürfte der IT-Sektor weitere Kurszuwächse verzeichnen und der Energie-Sektor leiden. Basiskonsumgüter bleiben unbeeinflusst.
1 Siehe Duarte & Ebert (2023), Wie sensitiv reagieren Aktienrenditen auf Veränderungen des makroökonomischen Umfelds? Studie, Flossbach von Storch Research Institute.
2 Thomas Mayer: US-Aktienmarkt: Teuer, aber auch gut? - Flossbach von Storch Research Institute
3 Siehe Tabelle 2 in Duarte & Ebert (2023), Wie sensitiv reagieren Aktienrenditen auf Veränderungen des makroökonomischen Umfelds? Studie, Flossbach von Storch Research Institute.
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