23.01.2019 - Kommentare

John C. Bogle: Pionier des passiven Investierens und scharfer Kritiker zugleich

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Am 16. Januar 2019 ist der Urvater des Indexinvestierens John C., genannt „Jack“, Bogle gestorben. Bogle war zeitlebens nicht nur Vordenker, er war auch ein scharfer Kritiker seiner Zunft.

Als die von ihm gegründete Investmentgesellschaft Vanguard am 01. Mai 1975 die Geschäfte aufnahm, konnte Bogle nicht ahnen, dass sich das Unternehmen einmal zu einem der größten Vermögensverwalter weltweit entwickeln würde. Als Bogle kurz zuvor nach einem Disput mit den Direktoren einer verbündeten Investmentfirma als damaliger CEO der Wellington Management Company entlassen wurde, hatte der US-amerikanische Aktienmarkt nach zwei katastrophalen Jahren mehr als die Hälfte seiner Marktkapitalisierung verloren. Bogle sagte, es habe ihn geprägt, zu erleben, wie unfähig selbst erfahrene Manager bei der Antizipation einer großen Krise seien. Diese Krise erwies sich als Glücksfall, denn sie legte den Grundstein für die Erfolgsgeschichte von Vanguard. Heute verwaltet Vanguard geschätzte 5 Bio. US-Dollar und wird damit in Bezug auf das verwaltete Vermögen nur noch von Blackrock übertroffen.

Was die Fondsgesellschaft bis heute so einzigartig macht: Sie befindet sich im Besitz ihrer Kunden und agiert auf Basis eines genossenschaftlichen Prinzips ausschließlich in ihrem Interesse. Dies erlaubt ihr nicht nur, ihre Produkte zum Selbstkostenpreis anzubieten, sondern darüber hinaus komplett unabhängig von äußerer Einflussnahme zu agieren. So einzigartig die Eigentümerstruktur bis heute ist, so revolutionär war die Idee von Bogle zur damaligen Zeit. Fondsmanager und Anleger sollten sich nicht länger daran versuchen, den Markt zu schlagen. Dieser Versuch sei auf lange Frist zum Scheitern verurteilt. Vielmehr sollten sie sich damit begnügen, die Rendite des breiten Marktes zu erzielen.

Ob man sich dieser Ansicht anschließt oder nicht ist seitdem nicht nur eine Glaubensfrage, sondern Gegenstand unzähliger wissenschaftlicher Untersuchungen, deren Ergebnis stark von verwendeter Untersuchungsmethodik und beruflichem Hintergrund des Initiators abhängt. Zweifelsohne ist die Idee von Bogle, überhaupt am Aktienmarkt beteiligt zu sein, heute jedoch aktueller denn je. Während Bogle in den USA ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass Millionen von Amerikanern am Wachstum ihrer Volkswirtschaft über den Aktienmarkt teilhaben können, lassen Unkenntnis und Angst vor Kursschwankungen Anleger hierzulande in niedrigverzinsten Anlageformen verharren. Die langfristige Überlegenheit von Aktien als Anlageform mit Renditen zwischen 7 und 8 Prozent hat bislang nicht dazu geführt, dass aus Sparern Investoren wurden.

Doch musste Bogle auch in seinem Heimatland zu Beginn seines „Vanguard Experiment“ gegen enorme Widerstände kämpfen. So wurde seine Idee im Land der unbegrenzten Möglichkeiten als „sicherer Weg zur Mittelmäßigkeit“ belächelt, was doch nun gänzlich unamerikanisch sei. So sammelte der Fonds zu Beginn anders als angestrebt nicht 150 Mio. US-Dollar, sondern gerade einmal 11 Mio. US-Dollar ein. Doch der lange Atem zahlte sich aus, derselbe Fonds verfügt heute über ein Volumen von 441 Mrd. US-Dollar.

Nicht nur war Bogle der Urvater der Passivinvestments, er war auch ihr schärfster Kritiker. So propagierte er nicht nur die breite Diversifikation als notwendige Bedingung für den nachhaltigen Erfolg eines passiven Investors, sondern ebenso sah er in einem langen Investmenthorizont den Schlüssel für Anlageerfolg. Passives Investieren steht heutzutage für viele als Synonym für Exchange Traded Funds (ETFs). Als sich Vanguard unter der Führung seines Nachfolgers dazu entschied, in den Markt für ETFs einzusteigen, kritisierte Bogle diesen Schritt, da diese Produkte Wertpapiere für Spekulanten seien. Im letzten Jahr hat Bogle erneut zu einem großen Rundumschlag gegen seinen alten Arbeitgeber und die ETF-Industrie ausgeholt. Seine Kritik ging so weit, dass ihn das US-Finanzmagazin als „Stachel in Vanguards Fleisch“ bezeichnete. Seine Idee des passiven Investierens wurde mit der Erfindung der ETFs pervertiert, so Bogle. Diese Papiere würden oft mit der Absicht der kurzfristigen Wiederveräußerung gekauft und gingen in viel zu enge Nischen. Dies gehe mit hohen Transaktionskosten einher und impliziere den Versuch, den Markt zu timen. Er könne nicht glauben, dass dies eine solide langfristige Strategie darstelle. Vielmehr empfehle er traditionelle Indexfonds. Doch seien auch diese davon abhängig, dass es Marktteilnehmer gibt, die Research und Analysen betreiben, ansonsten können sie nicht funktionieren. Bogle war sich der Probleme eines zu stark wachsenden Anteils passiver Produkte also durchaus bewusst.

Bogles Kritik am Wachstum der passiven Investmentindustrie ging jedoch weiter. Da die „großen Drei“, zu denen neben Blackrock, Vanguard ebenso die Fondsgesellschaft State Street zählt, bei über 90 % der S&P 500 Firmen die größten Anteilseigner sind, ist ihre potenzielle Einflussnahme, etwa über Abstimmungen auf Hauptversammlungen beträchtlich. Allein Vanguard hält an jedem öffentlich gehandelten US-Unternehmen im Durchschnitt 8 % der Anteile. Doch verhalten sich die Gesellschaften analog zu ihrem Investmentansatz oftmals passiv. Dies führt dazu, dass die Balance zwischen Eigentum und Kontrolle aus den Fugen gerät. Bogle war der Meinung, dass sich passive Investoren, gerade aufgrund der fehlenden Möglichkeit, einzelne Unternehmen, bei denen etwa das Management schlechte Arbeite leiste, verkaufen zu können, intensiver auf Hauptversammlungen einbringen müssten.

Eingebracht hat sich Bogle seit Jahrzehnten intensiv. Durch ihn sind Millionen von US-Amerikanern zu Investoren geworden. Dies brachte eine andere Investorenlegende, Warren Buffett, zu der Einschätzung: „Wenn jemals eine Statue zu Ehren der Person errichtet wird, die am meisten für amerikanische Investoren getan hat, sollte die Wahl Jack Bogle sein.“

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