28.04.2020 - Kommentare

Warum ETFs in stürmischen Märkten weniger geeignet sind

von Thomas Mayer


ETFs haben in den vergangenen Jahren einen beeindruckenden Aufstieg erlebt. Mit den durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Korrekturen an den Wertpapierbörsen zeigen sich jedoch die Grenzen passiver Investmentstrategie.

„Suche nicht nach der Nadel. Kaufe einfach den ganzen Heuhaufen! “

Diese Erleuchtung veranlasste John Bogle, Chef der damals angeschlagenen US-Investmentfirma Vanguard, im Jahr 1976 den ersten Indexfonds aufzulegen. In Anlehnung an den US-Aktienindex S&P 500 gab er ihm den Namen Vanguard 500. Anfangs hatte Bogle es schwer, Anleger von seiner Idee zu überzeugen. In den 1980er Jahren interessierte sich nur eine kleine Gruppe von Investoren für seine Indexfonds.

In den 1990ern waren es dann schon mehr. Aber erst ab dem Jahr 2000 zündete die Idee und lockte viele Anleger an. Heute ist die Beweislast umgekehrt: Da viele Studien gezeigt haben, dass aktive Portfoliomanager im Schnitt den Markt ohnehin nicht schlagen können, sind diese nun unter Druck, ihre Existenz zu rechtfertigen. Angesichts hoher Kosten scheint es nur logisch, auf aktives Portfoliomanagement zu verzichten und im Sinne Bogles stattdessen den ganzen Markt zu kaufen. Die von sinkenden Zinsen begleitete, lange Aktienhausse von 2009 bis 2020 hat den Trend zum „passiven Investieren“ gut genährt. Inzwischen verwalten die beliebten, auf Börsen handelbaren Indexfonds namens Exchange Traded Funds (ETFs) weltweit knapp sechs Billionen US-Dollar Anlegergeld.

Mit dem durch die Coronapandemie ausgelösten Ende der Hausse dürften jedoch auch einige Schwächen des „passiven Investierens“ ans Licht kommen.

Erstens ist diese Anlageform heute weniger „passiv“, als Bogle es ursprünglich im Sinn hatte. Statt den ganzen Heuhaufen anzubieten, lockt die Fondsindustrie – natürlich zu höheren Preisen – mit Spielarten, die die einfache Grundphilosophie von Indexfonds konterkarieren. Etwa nach geographischen oder sonstigen „Faktoren“ sortierte ETFs, die unter dem Namen „Smart Beta“ vermarktet werden. Allein im Jahr 2019 flossen von den knapp 33 Milliarden Euro, die Anleger bis Ende November in Aktien-ETFs investierten, gut 7,1 Milliarden Euro – also ein Fünftel – in Smart-Beta-Strategien, so der ETF-Anbieter Amundi.

Zudem kann die einfache Handelbarkeit von ETFs einige Privatanleger dazu verleiten, Fondsanteile in Sekundenschnelle an der Börse zu kaufen und verkaufen, um schnelle Gewinne zu erzielen. Indem sie den Kunden mehr Einflussmöglichkeiten bei der Anlage bietet, nutzt die Fondsindustrie also die Neigung vieler Privatanleger zur Selbstüberschätzung, um höhere Gebühren für Verwaltung und Handel einzunehmen. Denn Anleger unterliegen oft dem Irrtum, gute und schlechte Segmente unterscheiden und den Markt „timen“ zu können. Statt mit einem aktiv gemanagten Fonds nicht besser abzuschneiden als der Markt, schneiden nun Anleger mit selbst gemanagten ETFs oft schlechter ab.

Erschienen am 28. April in WirtschaftsWoche (online)

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