26.09.2023 - Stiftung

Unterschiede in der Geldanlage zwischen Frauen und Männern

von Marius Kleinheyer


Bei der Geldanlage gibt es nach wie vor große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen vertrauen im Vergleich zu Männern weniger auf Aktien und mehr auf Nominalwerte. Ein Grund dafür ist die größere Verlustaversion. Männer und Frauen sehen die Inflation als großes Problem und erwarten, dass sie länger anhalten wird. In Zeiten erhöhter Inflation kann sich eine übertriebene Verlustaversion besonders nachteilig auf den langfristigen Vermögensaufbau von Frauen auswirken. Vielleicht hilft eine Neuausrichtung der Verlustaversion auf die Bewahrung der Kaufkraft.

Das Flossbach von Storch Research Institute hat diesen Sommer wieder GfK1 beauftragt, die Einstellung der Deutschen zum Thema Geldanlage abzufragen, diesmal vor dem Hintergrund von Inflation und Rückkehr der Zinsen. An der repräsentativen Umfrage haben 2.000 Menschen teilgenommen, etwa zur Hälfte Frauen und Männer.

1. Frauen investieren langfristig mehr in Sparbücher oder Tagesgeld als in Aktien

Wir wollten von den Umfrageteilnehmern wissen, wie sie ihr Geld in zwei verschiedenen Szenarien langfristig anlegen würden. Einmal im Falle eines regelmäßigen Sparbetrags, einmal im Falle einer größeren Einmalanlage. Im Ergebnis lässt sich festhalten, die Aktienkultur hat in Deutschland grundsätzlich noch Luft nach oben. Bei Frauen ist sie aber deutlich schwächer als bei Männern.

Beim regelmäßigen monatlichen Sparen (Grafik 1) präferieren 29 Prozent der Frauen Sparbücher oder Tagesgeld. Nur 12 Prozent der Frauen würden den monatlichen Betrag für mindestens 18 Jahre in Aktien anlegen. Bei Männern immerhin knapp 30 Prozent. 16 Prozent der Männer entscheiden sich für ein Sparbuch oder Tagesgeld.

Bei der Einmalanlage zeigt sich ein ähnliches Bild (Grafik 2). Gerade einmal knapp 9 Prozent der Frauen würden 100.000 Euro für zehn Jahre fest in Aktien anlegen, bei den Männern gut 23 Prozent.

2. Die Einschätzung der Inflation ist bei Frauen und Männern sehr ähnlich

Egal ob Frau oder Mann, die Deutschen machen sich am meisten Sorgen um die Inflation. Die Frauen sogar noch ein bisschen mehr als die Männer (Grafik 3). Egal ob Mann oder Frau, die Deutschen erwarten, dass die Inflation in den nächsten zwei bis drei Jahren erhöht bleibt. 40 Prozent der Frauen erwarten jährliche Inflationsraten von über 6 Prozent (Grafik 4).

3. Verlustaversion ist bei Frauen stärker ausgeprägt

Unter der Annahme einer länger anhaltenden Phase erhöhter Inflation bietet die langfristig ausgerichtete Investition in Aktien für Privatanleger die Chance auf eine positive Realrendite. Aktien sind deshalb als Inflationsschutz für die private Altersvorsorge geeignet. Gleichzeitig sind Aktien in ihrer rechtlichen Ausgestaltung als Eigenkapital für Unternehmen durch ein größeres Verlustrisiko als zum Beispiel Sparbücher gekennzeichnet. Kursschwankungen können zusätzliche Unsicherheiten erzeugen. Die Frage, ob man in Aktien investiert, ist damit auch eine Frage der Verlustaversion.

Das Konzept der Verlustaversion ist laut Nobelpreisträger Daniel Kahnemann der wichtigste Beitrag der Psychologie zur Verhaltensökonomik.1 Es besagt, dass Verluste stärker wahrgenommen werden als Gewinne. Evolutionsbiologisch gesprochen, wer Bedrohungen vordringlicher behandelt als Chancen, hat höhere Überlebenschancen. Menschen haben von Natur aus eine Tendenz zur Verlustaversion. Wie stark diese ausgeprägt ist, entscheidet darüber, ob die Verlustaversion unter den Bedingungen einer modernen Gesellschaft hinderlich sein kann.

Wir haben die Umfrageteilnehmer gefragt, welchen Verlust sie bereit sind, innerhalb eines Jahres bei ihrer Geldanlage zu ertragen (Grafik 1). Bei Männern und Frauen ist die Verlusttoleranz nur sehr gering ausgeprägt. Bei Frauen aber deutlich geringer als bei Männern. Knapp 70 Prozent der Frauen geben an, gar keinen Verlust in ihrer Geldanlage zu ertragen.

4. Gegen die Inflation kämpfen, heißt Kaufkraft bewahren

In der Theorie der Verlustaversion kommt es auf die relative Stärke von zwei Motiven an: Wir sind stärker motiviert Verluste zu vermeiden, als Gewinne zu erzielen. Ein Ziel nicht zu erreichen ist ein Verlust, das Ziel zu übertreffen ein Gewinn.2 Was als Verlust und Gewinn angesehen wird, hängt folglich vom Ziel als Referenzpunkt ab. Bei der Geldanlage gibt es praktischerweise die „schwarze 0“. Alles, was mit einem Minus vor der Zahl steht, geht in den roten Bereich der Verlustzone.

Das Problem ist, dieser Referenzwert taugt nicht bei einer Inflation. „Hauptsache kein Verlust“ müsste eigentlich bedeuten, der Anleger bewahrt bei der Geldanlage seine Kaufkraft. Verlust bedeutet Verlust der Kaufkraft, Gewinn bedeutet Steigerung der Kaufkraft. Die Verlustaversion sollte die Sorge vor dem Nichterreichen der Bewahrung der Kaufkraft gelten.

5. Fazit

Ein Blick durch die umfassende Literatur zu den Unterschieden zwischen Männern und Frauen bestätigt, dass Frauen weniger in Aktien investieren als Männer. Dafür lassen sich dort auch viele verschiedene Gründe finden. Bildung, Interesse an finanziellen Themen, kulturelle Prägung, Risikovermeidung.

Dabei stehen Frauen vor größeren finanziellen Herausforderungen als Männer. Sie haben meist niedrigere Einkommen, längere Pausen im Berufsleben und beziehen im Ruhestand meist geringere Renten. Abnehmende Heirats- und ansteigende Scheidungsraten verringern die Bedeutung der Ehe als Versorgungsgemeinschaft.  Angesichts der Inflation erleiden Frauen, die aufgrund der Verlustaversion nicht in Aktien investieren, einen zusätzlichen Nachteil. Die Neuadjustierung der Verlustaversion an der Bewahrung der Kaufkraft könnte bei vielen eine neue Einstellung zur Geldanlage in Aktien erleichtern. Damit wäre schonmal ein Nachteil beseitigt.


1 Im Auftrag des Flossbach von Storch Research Institutes wurden mit dem GfK eBUS® 2.012 Personen im Alter von 18-74 Jahren befragt, die die deutschsprachige Bevölkerung repräsentieren. Die Befragung wurde im Zeitraum 29.06.23 bis 09.07.23 durchgeführt.

2 Kahneman, Daniel (2012) Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler Verlag: München, S. 348.

3 Kahneman, Daniel (2012) Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler Verlag: München, S. 372.

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