23.09.2024 - Studien

Ist Wohnen wieder bezahlbar?

von Christof Schürmann


Ob das „urbane Wohnen am Rhein“ etwas gewesen wäre für „die Knef“? Vermutlich nicht. Ist doch der Neubaukomplex an der nach der deutschen Sängerin („Für mich soll es roten Rosen regnen“) und Schauspielerin („Die Sünderin“) benannten Straße eher praktisch-nüchtern als mondän.

An der besagten Hildegard-Knef-Straße im Düsseldorfer Stadtteil Heerdt läuft jedenfalls die Vermarktung. Eigentumswohnungen liegen preislich bei gut 7.000 Euro je Quadratmeter. Ein Vermieter fordert mehr als 16 Euro den Quadratmeter.

1. Preisrückgang abgebremst

Fragt sich, ob sich für Interessenten ein Kauf nun endlich wieder rechnet, in einem Markt, der über die vergangenen zwei Jahre mächtig unter Druck geraten ist und sich stark fragmentiert hat. Oder lebt es sich als Mieter besser?

Die Immobilienlobby jedenfalls trommelt zum Einstieg („Kaufen Sie, statt zu mieten!“) und sieht zum Teil schon wieder goldene Zeiten, nachdem im zweiten Quartal 2024 der deutliche Preisrückgang bei Häusern und Wohnungen zum Stillstand gekommen sein könnte.

Trommeln gehört zum Geschäft, nur lag die Immobilienlobby da über einen längeren Zeitraum nun schon falsch mit ihren Kaufempfehlungen in einen deutlich absackenden Markt hinein (Abbildung 1).

Wie es sich genau mit den Preisen verhält, ist ohnehin zum Teil Ansichtssache, die Ermittlungsmethoden sind komplex.1 Hierzulande sind unterschiedliche Immobilien-Indizes im Umlauf. Da lohnt ein genauerer Blick. In einem zweiten Schritt sollte jeder spitz rechnen, ob sich aktuell ein Kauf mehr lohnt als zu mieten. Für Investoren ist es wichtig, ob denn Mietrenditen konkurrenzfähig zu anderen Anlagen sind. Und drittens gilt für alle Nachfrager: Wie stellt sich das aktuelle Angebot dar und was lässt sich daraus ableiten?

Was die Preise betrifft, lässt sich zusammenfassend sagen, dass es im zweiten Quartal 2024 bei Wohnimmobilien gegenüber dem Vorjahresquartal erneut einen leichten Rückgang gab. Gegenüber dem ersten Quartal 2024 stabilisierten sich die Preise. Je nach Immobilienindex und Immobilientyp (Haus, Eigentumswohnung, Mehrfamilienhaus) gab es leichte Preis-Rückgänge, Stagnation oder einen leichten Anstieg.

Dass es überhaupt zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, liegt an individuellen Berechnungen und unterschiedlichen Datenbasen der Indexanbieter. „Wohnimmobilienmärkte sind durch eine große regionale Heterogenität geprägt. Um regionale Tendenzen zu untersuchen, bedarf es geeigneter Datenquellen“, konstatiert die Deutsche Bundesbank.2

2. Unterschiedliche Indizes

So werden etwa für den Immobilienpreisindex des Verbands der Pfandbriefbanken (vdp) auf der Ebene einzelner Immobilien neben Kaufpreisen und Mieten Angaben zu den wertbeeinflussenden Eigenschaften systematisch erfasst. Auf Grundlage dieses Datenpools werden Immobilienpreisindizes erzeugt, die reine Preisbewegungen widerspiegeln sollen. Mehr als 700 Banken übermitteln quartalsweise Daten von echten Verkaufsfällen, die in die Transaktionsdatenbank einfließen und ausgewertet werden. Der vdp-Index ist verlässlich und fließt deshalb in den quartalsweise vom Flossbach von Storch Research Institute berechneten Vermögenspreisindex ein.3

Noch recht jung ist der German Real Estate Price Index (Greix). Der Index wird auf Basis einer Kaufpreissammlung der lokalen Gutachterausschüsse, die notariell beglaubigte Verkaufspreise enthält, gebildet. Preisentwicklungen einzelner Städte und Stadtviertel bis zurück ins Jahr 1960 basierend auf über zwei Millionen Transaktionsdaten lassen sich damit zurückverfolgen. Die Preise sollen mit „neuesten wissenschaftlichen Methoden und statistischen Verfahren (hedonische Regressionsmethode)“ ausgewertet worden sein. Der Greix bemüht sich also um eine Preisbereinigung unter Berücksichtigung von Qualität. Regelmäßige Neuberechnungen können auch rückwirkend Veränderungen des Index ergeben. Der Greix bietet Stadtteil-bezogene Daten.

Auch für den Wohnindex des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird ein hedonisches Preismodell angewendet.4 Physische Charakteristika wie Ausstattung, Wohnfläche, Baujahr oder die Lage von Immobilien werden im IW-Index berücksichtigt. Kurz zusammengefasst wird der Preis (Nettokaltmiete oder Kaufpreis) in seine Einzelbestandteile geteilt.

Der EPX hedonic basiert auf Transaktionsdaten privater Immobilienfinanzierungen der unabhängigen Europace-Plattform. Europace wickelt nach eigenen Angaben rund 20 Prozent aller Immobilienfinanzierungen für Privatkunden in Deutschland ab. Der EPX versucht anhand einer „hedonischen Regressionsanalyse“ den reinen Preiseffekt herauszustellen. Der Gesamtindex besteht aus den Daten der Einzelindizes für Bestands- und Neubauhäuser sowie für Eigentumswohnungen.

Als Kauf-, oder Verkaufsinteressent lohnt die Mühe, Daten aus mehreren Indizes zu erheben bis hinunter auf Stadtteilebene, falls möglich. Problematisch ist generell, dass es möglicherweise im jüngsten Quartal gerade keine oder nur sehr wenige vergleichbare Transaktionen gab. Und was genau hinter den Indizes steckt, bleibt Betriebsgeheimnis der Anbieter. Am Ende gilt die Immobilienweisheit: Wie viel ein Haus oder eine Wohnung gerade wert sind, wissen Käufer und Verkäufer erst nach Abschluss des Notarvertrages.

3. Verschärfte Krise am Bau

Das macht Preisprognosen unsicher. Wer sich aktuell mit dem Immobilienmarkt beschäftigt, der trifft auf ein noch komplexeres Umfeld als es in der Vergangenheit der Fall war. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat erst die Preise für Haus und Grund enorm getrieben, und dann – mit Unterstützung staatlicher Regulierungen – die Bau- und Renovierungskosten inflationiert.

Fast jeder weiß: Der deutsche Wohnungsbau steckt deshalb in der Krise. Laut Prognosen des Zentralen Immobilien Ausschusses könnten 2027 bis zu 830.000 Wohnungen fehlen.5

Im ersten Halbjahr 2024 genehmigten die Baubehörden nach Angaben des Statistischen Bundesamts nur 106.700 neue Wohnungen, ein gutes Fünftel weniger als im Vorjahreszeitraum. Neben den nach wie vor sehr hohen Grundstückpreisen bremst die Material- und Lohninflation. Vom ersten Quartal 2021 bis zum zweiten Quartal 2024 sind die Baukosten um gut 36 Prozent gestiegen.6 Zuletzt hat noch einmal eine Beschleunigung eingesetzt. Laut Statistischem Bundesamt zog der Index für Bauwerke bereits im Zeitraum 2010 bis 2022 um 64 Prozent an, während die allgemeine Inflationsrate im gleichen Zeitraum nur um 25 Prozent stieg.7

4. Kreditnachfrage steigt

Das deutlich zurückgehende Angebot im Neubau stützt den Bestand – eine gleichbleibende oder steigende Nachfrage nach Wohnimmobilien insgesamt vorausgesetzt. Die Nachfrage lässt sich schwierig prognostizieren. Jüngste Daten zum Neugeschäft bei Wohnimmobilienfinanzierungen zeigen aktuell eine deutliche Belebung von niedrigen Niveaus aus an (Abbildung 2). Mit 19,5 Milliarden Euro im Juli lagen die Finanzierungen rund 40 Prozent niedriger als im Rekordmonat März 2022 (32,3 Milliarden Euro).

5. Mieten oder kaufen?

Ob Mieten besser ist, oder Kaufen eher lohnt, ist von einer ganzen Reihe an Parametern abhängig. Jeder Fall will individuell berechnet sein, doch gibt es Hinweise, was denn aktuell die vermutlich klügere Variante ist.

Noch fehlen frische Daten, doch zeigt der Preis-Mietindex der Federal Reserve of Dallas, dass sich in der Endphase der jüngsten Immobilienhausse in Deutschland die Kaufpreise so stark wie seit 40 Jahren nicht von ihrem fundamental gerechtfertigten Wert entfernt hatten (Abbildung 3).

Zwar sind die Kaufpreise zuletzt gefallen, und die Mieten haben angezogen, doch von einem Wert, der zum Kaufen einlädt, wie etwa um das Jahr 2010 herum, dürfte der Markt noch entfernt sein.

Der Index ist eine erste grobe Orientierung. Doch wie sieht es konkret aus? Nun bietet das „urbane Wohnen am Rhein“ in Düsseldorf in der Hildegard-Knef-Straße den seltenen Einblick in zwei nahezu identische Wohnungen desselben Baujahres, die aktuell zum Kauf und zur Miete stehen.

Beide haben zwei Zimmer, Bad, Balkon, eine Abstellkammer, und der Fahrstuhl bringt Bewohner bequem auf die jeweilige Etage. Einmal ist die Küche in den Wohn/Essbereich integriert, einmal ein isolierter Raum. Das ist schon der größte Unterschied.

Die zum Verkauf stehende Wohnung hat 63,5 Quadratmeter Wohnfläche, die Mietwohnung 67,7 Quadratmeter. Letztere weist Nebenkosten von 135 Euro und Heizkosten von 100 Euro aus. Das dürfte bei der etwas kleineren Wohnung fast genauso hinkommen. Die Kaltmiete liegt bei monatlich 1.107 Euro oder 16,34 Euro pro Quadratmeter. Die Kaufwohnung kostet 460.900 Euro oder 7.258 Euro je Quadratmeter. Da keine Maklergebühren anfallen, errechnen sich 36.872 Euro an Nebenerwerbskosten. Käufer sollten diese als Minimum an Eigenkapital mitbringen, sonst lässt sich der Kredittermin bei der Bank gleich sparen.

Unter der Annahme eines günstigen Hypothekenzinses von vier Prozent über eine Laufzeit von 30 Jahren, nach der die Wohnung abbezahlt sein soll, müssen Käufer monatlich 2.200 Euro an die Bank überweisen. Zwar ist die Wohnung neu, doch über 30 Jahre lässt sich ein Renovierungsbedarf oder die Erneuerung der Heizung nicht ausschließen. Mit 100 Euro im Monat könnten Erwerber auskommen. Das führt über 30 Jahre zu einer Gesamtsumme von 828.000 Euro, die der Käufer gezahlt hat.

Vom ersten Quartal 1975 bis zum ersten Quartal 2024 sind die Immobilienpreise in Deutschland laut Erhebungen der Federal Reserve of Dallas um durchschnittlich 3,06 Prozent gestiegen. Diesen jährlichen Zuwachs auch für die kommenden 30 Jahre unterstellt, wäre die Wohnung am Ende 1,14 Millionen Euro wert.

Der Mieter erspart sich die Nebenerwerbskosten in Höhe von 36.872 Euro. Diese wandern in ein Anlagedepot. Bei fünf Prozent jährlicher Rendite über 30 Jahre sind am Ende gut 159.000 Euro im Depot, bei acht Prozent wären es 371.000 Euro. Der Mieter spart gegenüber dem Käufer anfänglich monatlich 1.193 Euro ein (2.200 Euro Kreditrate plus 100 Euro Rücklagenbildung abzüglich 1.107 Euro Miete).

Berechnet nach Angaben von Statista lag die durchschnittliche Steigerung der Miete bei einer Neuvermietung in Deutschland von 1990 bis 2022 bei 2,16 Prozent pro Jahr. Von 1995 bis 2023 stieg der Wohnungsmietindex um insgesamt 46,5 Prozent. Wer ähnliche Annahmen für die Zukunft unterstellt, landet für die Düsseldorfer Wohnung entweder bei knapp 1.889 Euro oder 1.622 Euro monatliche Miete nach 25 Jahren.

Wir gehen davon aus, dass alle fünf Jahre die Miete um zehn Prozent erhöht wird und sind nach 25 Jahren bei einer monatlichen Miete von 1.783 Euro, also in der Mitte der historischen Mietsteigerungsspannen.8 Mit 16,34 Euro je Quadratmeter zu Beginn liegt die Startmiete bereits hoch, sodass dies eine realistische Annahme sein dürfte. Die Ersparnis gegenüber dem Käufer verringert sich für den Mieter also über die Laufzeit.

Wer die Ersparnisse zu fünf Prozent angelegt, hat inklusive Zinseszins (jährliche Gutschrift) nach 30 Jahren 792.500 Euro auf dem Konto. Dazu kommen die ersparten und verzinsten Erwerbsnebenkosten über 159.000 Euro. Macht insgesamt also gut 950.000 Euro. Erreicht der Mieter eine achtprozentige Rendite, was Anleger mit einer reinen Aktienanlage in der Vergangenheit über so lange Laufzeiten regelmäßig erzielten, dann füllt sich das Konto um knapp 1,44 Millionen Euro, zuzüglich der ersparten und zu acht Prozent verzinsten Erwerbsnebenkosten von 371.000 Euro wären das insgesamt gut 1,8 Millionen Euro.

Unter vorsichtigen Annahmen, was die Perfomance seiner Geldanlage betrifft, fährt der Mieter also schlechter als der Käufer, wenn dieser auch den günstigen Kreditzins ergattern kann. Realistischerweise ist der Vermögensendwert aber deutlich höher als beim Käufer – wenn der Mieter auch wirklich spart und nicht übermäßig konsumiert.

Zudem sind steuerliche Aspekte unberücksichtigt. Sollten diese so bleiben wie aktuell, dann verschlechtert sich die Rechnung für den Mieter. Allerdings gibt es Bestrebungen, die steuerliche Benachteiligung von Aktien gegenüber selbst genutztem Immobilieneigentum zu verringern oder gar zu beseitigen.9 Und über einen so langen Zeitraum wie angenommen, könnte sich eine höhere Anlagerendite einstellen oder die eigengenutzte Immobilie besteuert werden.

6. Vermieten oder anlegen?

Nun könnte sich ein Anleger auch überlegen, die zum Kauf stehende Wohnung zu erwerben und zu vermieten. Unter den gegebenen Parametern ergibt sich eine anfängliche Mietrendite vor Steuern von 2,33 Prozent. Inklusive Nebenerwerbskosten ergibt sich eine Anfangsinvestition von einer halbe Million Euro.

Wer das Klumpenrisiko eines solchen Einzelinvestments überhaupt bereit wäre zu tragen, der sollte nicht mehr als 20 Prozent seines liquiden Vermögens investieren, also insgesamt 2,5 Millionen Euro auf der hohen Kante haben.

Wer weniger zur Verfügung hat, oder das Klumpenrisiko verkleinern will, der greift wahrscheinlich zum Klassiker: Die gut vermietbare Bestandswohnung, ordentlicher Zustand in vernünftiger Lage, zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon, um die 50 Quadratmeter groß, städtisch. Hier sollte der Käufer in etwa mit 250.000 Euro Kaufpreis hinkommen, mit Nebenerwerbskosten sind 275.000 Euro anzusetzen.

Wie rechnet sich dies auf lange Sicht? Wer nur Eigenkapital einsetzt, der erzielt über 35 Jahre gerechnet netto knapp 254.000 Euro Miteinnahmen (ohne Weiterverzinsung) und besitzt im Jahr 2059 eine Immobilie im Wert von 718.000 Euro. Dabei wurden Mietpreissteigerungen von 2,16 Prozent, ein Steuersatz von 33 Prozent, eine Anfangsmiete von 13 Euro der Quadratmeter, Rücklagenbildung und übliche Abschreibung berücksichtigt.

Für einen Vermieter, der zum größten Teil über Kredit finanziert, wurde über 35 Jahre ein Superzins von 3,5 Prozent angenommen, um die Immobilie nicht schlecht zu rechnen. Ein Vermieter schießt insgesamt rund 81.500 Euro aus eigener Tasche zu, der Endwert der Wohnung ist identisch (Tabelle 1).

Sollte eine Aktienanlage wie in der Vergangenheit mit einer jährlichen Dividendenrendite von 2,22 Prozent abschneiden, dann kassierten Anleger über 35 Jahre gut 156.000 Euro an Ausschüttungen nach Steuern (ohne Weiterverzinsung). Als Endwert weist ihr rein aus Kursgewinnen gespeistes Aktiendepot einen Stand von 3,1 Millionen Euro nach Steuern aus – mehr als das Vierfache der Immobilie.10

Eine solche zukunftsgerichtete Betrachtung hält auch einer Überprüfung in der Vergangenheit stand. So hätte eine Immobilieninvestition in Deutschland im Jahre 1975 bis Ende 2023 zwar gelohnt, mit einem Wertzuwachs nach Inflation von 317 Prozent. Bei Aktien wären es jedoch 2.947 Prozent gewesen (Abbildung 4).

Die Aktienperformance berechnet sich über den MSCI World Net Return in Euro abzüglich der deutschen Verbraucherpreisinflation. Für die Immobilieninvestition wurde neben der realen Preisentwicklung noch eine reale jährliche Mieteinnahme von drei Prozent angenommen und diese weiterverzinst mit ebenfalls drei Prozent, wiederum nach Abzug der Inflation. Eine großzügige Annahme, sind doch die wahren Mietrenditen verdächtig, deutlich niedriger zu liegen.11 Exakte Daten, zumal über längere Zeiträume, sind unbekannt.

Grundsätzlich sei es „kaum möglich über einen verhältnismäßig langen Zeitraum eine Prognose über die Marktentwicklung, die Mietpreisentwicklung, die Entwicklung der Fremdfinanzierung oder auch über die Entwicklung der Einkommenssituation des Investors und der daraus resultierenden Steuersituation zu erstellen“, so der Schluss einer wissenschaftlichen Arbeit zur „Rentabilität von Immobilieninvestitionen“.12

Die für eine Berechnung wichtigen Einkommensteuertarife wiesen „über Jahre und Jahrzehnte“ einen „höchst dynamischen Charakter“ auf, da sie sich in einem „ständigen politischen Diskurs“ befänden.13

7. Wie sieht die Angebotsstruktur aus?

„Ich zahle für meine 52-m2-Wohnung in Hamburg 850 € kalt. Das Haus wurde vor ca. zwei Jahren verkauft. Neue Wohnungen derselben Größe werden (saniert und möbliert) um 2245 € angeboten“. So äußerte sich Anfang September der „Spiegel“-Kulturredakteur Anton Rainer auf der Plattform X – und beschreibt damit perfekt ein wesentliches Problem am deutschen Immobilienmarkt anno 2024: Dieser driftet auseinander.

Waren vor drei Jahren noch Eigentumswohnungen und Häuser zum Kauf eine Rarität, hat sich das Bild inzwischen gedreht. Kaufinteressenten finden ein relativ großes Angebot. Mietwohnungen gibt es weit weniger, regelmäßig mehr Angebote gibt es beim enorm teuren „Wohnen auf Zeit“ (Abbildung 5).

Da sind es dann auch einmal gerne 40 Euro der Quadratmeter. Zunehmend nutzen Vermieter also die Wohnungsnot aus. Möblierte Wohnungen dürfen nach wie vor im Preis ungebremst angeboten werden. Auch bei vielen klassischen Angeboten schert sich nicht jeder um Mietpreisbremsen oder Mietspiegel.

Das Auseinanderdriften zwischen Extrempreisen für möbliertes Wohnungen, sehr hohen Mieten bei Neubauten und demgegenüber moderaten Mietpreisen im Bestand führt zu Immobilität, auch als Lock-in-Effekt bekannt: Die Menschen bleiben in ihrer angestammten Wohnung, auch wenn eine Vergrößerung oder Verkleinerung gewünscht ist – oder ein Umzug in eine andere Stadt.

In München etwa lagen die Spitzenmieten im ersten Halbjahr laut des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle bei 32,59 je Quadratmeter. Das schränkt möglicherweise auch Jobwechsel ein. Wer in Leipzig zur aktuellen Medianmiete von 9,88 Euro wohnt und in die bayrische Landeshauptstadt wechselt, der muss im Durchschnitt das 2,5-fache und in der Spitze das fast 3,5-fache an Wohnkosten kalkulieren und sollte zum Ausgleich ein wesentlich höheres Gehalt als in Sachsen beziehen.

Oder der Jobwechsler kauft. Dazu jedoch müssten Preis, Zins und Einkommen zusammenpassen, was regelmäßig nicht der Fall ist, zumal Sanierungskosten eine mithin unbekannte Variable sind.14 Das inzwischen wieder recht üppige Angebot macht es jedoch möglich, den geforderten Preis zu drücken: Versuch macht da klug.

8. Fazit

Die Immobilienpreise könnten nach einem zweijährigen Abschwung langsam ihren Boden finden, allerdings ist ein Kauf aktuell weder gegenüber einer Miete noch unter Renditegesichtspunkten ausreichend lukrativ. Trotz fehlender Wohnungen und mangelndem Neubau dürften die jüngsten, teils überdurchschnittlichen Mietpreissteigerungen nicht fortzuschreiben sein. Die Klientel, die das aktuelle Mietniveau angesichts eher unterdurchschnittlich wachsender Reallöhne in einer bereits unterschwelligen Wirtschaftskrise bezahlen können, ist limitiert. Zudem bewegen sich Vermieter bei Neuvermietungen bereits zum Teil außerhalb des Mietspiegels. Blütenträumen steht hier die Regulatorik entgegen.

Das Kaufangebot ist in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft gewachsen. Für die schon recht geburtenschwache Generation X (bis 1979) wird es zeitlich langsam zu eng, Eigentum zu erwerben. Die nachfolgenden Generationen sind geburtenschwach und/oder haben noch nicht genügend Kapital aufgebaut. Zudem steht die große Erbwelle an, die eine hohe Zahl an Immobilien auf den Markt oder direkt ins Eigentum der Jüngeren spült. Das spricht dafür, dass der nächste Immobilienboom nicht vor der Tür steht. Kaufinteressenten müssen sich also keineswegs gedrängt fühlen, sondern sollten im Gegenteil sorgfältig auswählen und keinesfalls unbesehen Angebotspreise akzeptieren.

Die schlechte Struktur auf dem Mietmarkt dürfte sich verfestigen, solange Neubaumieten nicht rückläufig sind. Zudem macht der Trend zu unverschämt teuren möblierten Wohnungen den Mietmarkt kaputt. Die Politik ist hier gefragt.

Die möblierte Vermietung zu kanalisieren, würde zwar nur an Symptomen kurieren, könnte aber angesichts der Preisspirale bedenkenswert sein. Notwendiger sind Entbürokratisierung, ein intelligenterer Mieterschutz, den Vermieter nicht als Teilenteignung empfinden, und dauerhaft verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten im Neubau, auch für institutionelle Investoren. Das Angebot an Eigenheimen und Mietwohnungen muss wieder steigen können.

 


https://www.dallasfed.org/-/media/Documents/research/international/wpapers/2011/0099.pdf

https://www.bundesbank.de/resource/blob/848902/70ad436f0a1969ace8cc5a5c73b2611f/mL/2020-10-preisaufschwung-wohnimmoblilien-data.pdf

https://www.flossbachvonstorch-researchinstitute.com/de/fvs-vermoegenspreisindex-deutschland/

4 Ausführlich zur hedonistischer Regressionsanalyse bei Immobilienindizes, siehe https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2009/53563/trends03_09_5.pdf

https://zia-deutschland.de/project/neue-zia-zahlen-fehlende-auswege-aus-der-krise-lassen-wohnungsnot-weiter-wachsen/

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24_265_61261.html

https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/_inhalt.html

8 Dann spart der Mieter gegenüber dem Käufer nur monatlich nur noch 517 Euro ein (2.200 Euro Kreditrate plus 100 Euro Rücklagenbildung abzüglich 1.783 Euro Miete).

https://www.morgenpost.de/politik/article407015181/lindner-plant-reform-werden-aktien-und-etf-bald-steuerfrei.html

10 Ausführliche Berechnungen zu Immobilien- versus Aktien und Anleihenanlage mit zahlreichen grafischen Darstellungen siehe auch https://www.flossbachvonstorch-researchinstitute.com/de/studien/der-traum-von-der-immobilienrendite/

11 https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.488172.de/diwkompakt_2014-089.pdf

12 https://monami.hs-mittweida.de/frontdoor/deliver/index/docId/14388/file/DA_Almer_Bianca.pdf

13 Prof. Dr. Ulf Lassen, Hochschule Biberach: Immobilienfinanzierung und -investition, Eine Einführung in Praxis und Theorie, Schmidt-Verlag (2023), Seite 260

14 https://www.flossbachvonstorch-researchinstitute.com/de/kommentare/wie-stark-koennen-immobilienpreise-noch-fallen/

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