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Gesellschaft & Finanzen

Wer sorgt besser vor – Spanien oder Deutschland?

- Gunther Schnabl , Sven Ebert

KOMMENTAR. Spanien und Deutschland stehen wie viele andere Länder in Europa vor großen Herausforderungen bei der Alterssicherung. Wer löst sie besser?

 

1. Zwei Länder – eine Herausforderung

Spanien und Deutschland stehen wie viele andere Länder in Europa vor großen Herausforderungen bei der Alterssicherung. In den gesetzlichen Rentensystemen sorgen laut Weltbank für das Jahr 2023 in Spanien 1,12 Kinder pro Frau und in Deutschland 1,39 Kinder pro Frau für immer weniger Beitragszahler. Der kontinuierliche Anstieg der Lebenserwartung seit dem Zweiten Weltkrieg auf heute 83,9 Jahre in Spanien und 80,5 Jahre in Deutschland lässt die Anzahl derer steigen, die die gesetzliche Rentenversicherung in Anspruch nehmen. So sind große Lücken entstanden, die durch Steuern ausgeglichen werden müssen.

Wer sorgt besser vor – Spanien oder Deutschland? -

In Spanien lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2024 bei 33.166 Euro, in Deutschland bei 51.485 Euro. Starkes Wirtschaftswachstum und damit steigende Löhne würden das Fundament der gesetzlichen Rente verbreitern und mehr Freiraum für betriebliche und private Vorsorge schaffen. Doch in beiden Ländern schwächelt das Wachstum, in Deutschland noch mehr als in Spanien. Seit der Jahrtausendwende ist Deutschland durchschnittlich nur noch um 1,0 Prozent pro Jahr gewachsen, Spanien um 1,7 Prozent. Im Vergleich dazu wuchs die Wirtschaft in den USA um 2,1 Prozent.

Dazu hat sich die Staatsverschuldung in Spanien auf 104 Prozent des BIP erhöht, während Deutschland - derzeit noch bei 64 Prozent -  auf der Grundlage eines kürzlich beschlossenen Investitionsprogramms für Verteidigung und Infrastruktur bald nachziehen könnte. Das belastet die öffentlichen Haushalte durch höhere Zinsverpflichtungen und verfestigt das Risiko der Inflation. Ist in diesen Zeiten die Alterssicherung in beiden Ländern noch robust?

2. Das spanische Rentensystem – viele Eier in einem Korb

In Spanien ist die international übliche Aufteilung der Alterssicherung auf drei Säulen schwach ausgeprägt (Observatorio Inverco 2018 und EIOPA). Beim Alterseinkommen verlassen sich die Spanier fast ausschließlich auf die gesetzliche Rente. Nur rund jeder fünfte Spanier besitzt zusätzlich eine betriebliche Altersversorgung oder einen privaten Pensionsplan. 

Neben der gesetzlichen Rente bildet die eigene Immobilie das zweite Standbein der Altersvorsorge. Mehr als 70 Prozent aller Spanier besitzen eine Immobilie, wobei es bei Spaniern über 65 sogar mehr als 80 Prozent sind. Das Immobilienvermögen spanischer Haushalte ist damit gut dreimal so hoch wie das Finanzvermögen (OECD 2024 Figure 1.25 und Banco de Espana 2024 Table 3).

Das Finanzvermögen lag in Spanien nach Allianz Global Wealth Report 2024 bei 43.690 Euro pro Kopf.1  Dabei dominieren Bargeld und Bankeinlagen mit einem Anteil von fast 40 Prozent. Der relative hohe Anteil von Aktien von 30 Prozent, verteilt sich auf lediglich 14 Prozent der Bevölkerung. Insgesamt besitzen nur vier von zehn Spaniern ein Sparprodukt wie zum Beispiel ein Sparbuch, eine private Rentenversicherung oder einen Investmentfonds (OECD 2024 Figure 1.26 und Figure 1.27). 

3. Deutschlands drei brüchige Säulen

In Deutschland befindet sich die gesetzliche Rente seit Jahren in Schieflage. Die Alterung der Gesellschaft lässt die Ausgaben schneller wachsen als die Einnahmen, so dass der Staat inzwischen fast 130 Milliarden zuschießen muss. Die betriebliche Altersvorsorge ist zwar weiterverbreitet als in Spanien, erreicht aber auch in Deutschland nur die Hälfte der Arbeitnehmer. 

Der Immobilienbesitz ist schwächer ausgeprägt als in Spanien. Lediglich rund 50 Prozent der Menschen über 65 Jahren in Deutschland besitzen eine Immobilie. Die Renditen aus Immobilienvermietung fallen mit rund 2,5 Prozent gering aus (Schürmann 2024) und gehen inflationsbereinigt gegen null.

Das Finanzvermögen lag in Deutschland nach Allianz Global Wealth Report 2024 bei 69.060 Euro pro Kopf. Das private Sparen leidet unter finanzieller Repression. Fast 40 Prozent der deutschen Geldvermögen sind in Bargeld oder Bankeinlagen angelegt, wobei sich letztere seit vielen Jahren gar nicht oder nur gering verzinsen. Sie sind anfällig für niedrige Leitzinsen der Europäischen Zentralbank. Selbst bei moderaten Inflationsraten ist die reale Rendite negativ.

4. Spanien vs. Deutschland im Vergleich

In Spanien liegt der Beitrag zur Renten- und Krankenversicherung bei 28,3 % auf das Bruttogehalt bis zu einer Grenze von rund 59.000 Euro Jahresgehalt. 23,6 % trägt der Arbeitgeber, 4,7 % der Arbeitnehmer. Zudem zahlen die Arbeitgeber und Arbeitnehmer 0,67 % bzw. 0,13 % in eine Reserve für zukünftige Lasten bei der gesetzlichen Rentenversicherung (Mecanismo de Equidad Intergeneracional) ein. Dazu fällt für Einkommen oberhalb von 59.000 Euro ein zusätzlicher „Solidaritätsbeitrag“ an, wobei aus beiden Zusatzbeiträgen kein zusätzlicher Rentenanspruch entsteht. Ein separater Ausweis der Beiträge zur Rentenversicherung erfolgt nicht. In Deutschland werden für die gesetzliche Rentenversicherung 18,6 % auf das Jahresgehalt bis 96.600 Euro fällig, hälftig geteilt auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In Spanien werden rund 80 Prozent des letzten Bruttogehalts als Bruttorente ausgezahlt, in Deutschland liegt diese sogenannte Bruttoersatzrate nur bei 44 Prozent (OECD 2023). 

Der Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt lag 2024 - einschließlich der Zuschüsse für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - bei 127,2 Mrd. Euro (2,95 % des Bruttoinlandsprodukts). Der staatliche Zuschuss zur Renten- und Krankenversicherung lag in Spanien im Jahr 2023 bei grob 40 Milliarden Euro (2,47 % des Bruttoinlandsprodukts, Funcas 2023). Die durchschnittliche Rentenhöhe vor Steuern lag 2024 bei rund 1.450 Euro in Spanien und 1.150 Euro in Deutschland (siehe Abbildung), wobei das durchschnittliche Preisniveau in Deutschland bei 109 Prozent des EU-Durchschnitts und in Spanien bei 91 Prozent liegt. In Deutschland werden 12 Monatsraten ausgezahlt, in Spanien seit 2015 14 Monatsrenten. In Deutschland werden auf die Bruttorenten Steuern und Sozialabgaben fällig, in Spanien nur Steuern, wobei es für Rentner Steuervergünstigungen gibt.

Der Anteil der Rentenzahlungen am Bruttoinlandsprodukt lag 2024 in Spanien bei rund 10 %, während er in Deutschland bei rund 9 % lag. In beiden Ländern Tendenz steigend! Das offizielle Renteneintrittsalter liegt sowohl in Spanien als auch in Deutschland bei gut 66 Jahren und wird in beiden Ländern auf 67 Jahre steigen. Die Rentenabzüge für vorzeitigen Ruhestand sind mit gut 3 Prozent pro Jahr ähnlich. In beiden Ländern kann man ohne Abschläge ungefähr zwei Jahre früher in Rente gehen, wenn man lange genug in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. 
In Deutschland benötigt man dafür 45 Beitragsjahre, in Spanien sind es gut 38 Jahre. Das tatsächliche Renteneintrittsalter betrug 2023 in beiden Ländern rund 63 Jahre, Tendenz in beiden Ländern steigend. 

5. Beide Länder brauchen die gleiche Medizin

In einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Mercer, die die Rentensysteme verschiedener Länder hinsichtlich der heutigen und zukünftigen Leistungsfähigkeit vergleicht, befindet sich weder das spanische noch das deutsche Rentensystem auf den vorderen Plätzen. Die Versorgung der heutigen Rentner gehört zu den Stärken der beiden Systeme. Mangelnde finanzielle Nachhaltigkeit sei deren größte Schwäche (Mercer 2024). Doch bei der Alterssicherung durch eine Immobilie stehen die Spanier besser da.

Stabile und nachhaltige Rentensysteme zeichnen sich durch eine gesetzliche Grundrente aus, welche mit kapitalgedeckten Komponenten erweitert wird. Das ist beispielsweise in den USA, Kanada und Schweden der Fall. Kapitalgedecktes Sparen in realen Vermögenswerten wie Aktien ist besonders wichtig, wenn die Demographie ungünstig ist und auf Dauer höhere Inflationsraten zu erwarten sind. Daher sollten beide Länder ihre gesetzliche Rente von einer Lebensstandardsicherung auf eine Basisabsicherung zurückbauen sowie gleichzeitig betriebliches und privates Sparen fördern. In beiden Ländern gibt es bereits steuerliche Abzugsmöglichkeiten für die kapitalgedeckte Alterssicherung.

Daneben braucht es Wirtschaftswachstum und Produktivitätssteigerungen. Nur so sind die Steuereinnahmen und Sozialabgaben hoch genug, um die gesetzliche Rente zu finanzieren. Und nur so sind die Löhne langfristig hoch genug, damit die Menschen individuell zusätzlich etwas zurücklegen können. Für eine nachhaltige Wachstumspolitik und stabile Preise liegt der Ball auch bei den gemeinsamen europäischen Institutionen. 

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1 Eine alternative Schätzung für die spanischen Haushalte auf der Grundlage einer Umfrage findet sich bei Banco de Espana 2024. Sie deutet auf eine deutliche, weiter steigende Ungleichverteilung des Vermögens zugunsten der älteren Generation hin. 

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