10.11.2020 - Kommentare

Die deutschen Privathaushalte halten in der Coronakrise ihr Geld zusammen

von Marius Kleinheyer


Die fiskalischen Impulse bleiben zu einem erheblichen Teil im Portemonnaie der Menschen hängen. Während der Staat versucht, mit schuldenfinanzierten Maßnahmen auf die Coronakrise zu reagieren, ist die Antwort der deutschen Privathaushalte deutlich. Es wird gespart. Im zweiten Quartal erreichte die Sparquote einen Rekordwert von gut 20 %. Das bedeutet eine transaktionsbedingte Ersparnisbildung von etwa 100 Milliarden Euro allein im zweiten Quartal 2020. Grafik 1 veranschaulicht die auffällige Entwicklung der Ersparnis in den Sektoren Staat und Private Haushalte zu Beginn der Coronakrise.

Für diese außergewöhnliche Ersparnisbildung privater Haushalte, die sich in der Tendenz auch im gesamten Euro-Raum beobachten lässt, gibt es zwei mögliche Gründe. Zum einen war es während des Lockdowns im März und darüber hinaus gar nicht möglich, bestimmte Ausgaben zu tätigen. In diese Kategorie fällt auch der freiwillige Verzicht zum Beispiel auf Reisen oder Restaurantbesuche. Zum anderen verursachte die Pandemie bei vielen Menschen Unsicherheiten in Bezug auf ihre zukünftige wirtschaftliche Lage. Die EZB schätzt in ihrem Wirtschaftsbericht1, dass in ganz Europa im zweiten Quartal 2020 das erzwungene Sparen das dominante Motiv gegenüber dem Vorsichtssparen war.

Die Ersparnisbildung zeigt sich auch in der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Sie zeigt seit Jahren einen Abwärtstrend, der durch Krisen abrupt beschleunigt wird. So auch im Frühjahr 2020 als die Coronakrise in Deutschland ankommt. Grafik 2 zeigt, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu Beginn der Coronakrise auffällig stark fällt. Das weist auf eine gestiegene Geldersparnis hin.

Die transaktionsbedingte Geldvermögensbildung zeigt, auf welche Art die Deutschen sparen. Der größte Anteil des Gelds wird in Form von Bargeld und den Sichteinlagen gehalten. Hier zeigt sich ein starker Zuwachs von etwa 72 Milliarden Euro im zweiten Quartal. Einen Teil des Geldes investieren die Deutschen in Aktien und Anteile an Investmentfonds. Auch hier kann ein geringer Zuwachs im zweiten Quartal beobachtet werden. Während Anleger in Investmentfonds noch im ersten Quartal Anteile abgestoßen haben, sind sie jetzt wieder verstärkt investiert. Direktinvestments in Aktien erleben im zweiten Quartal ein historisches Hoch.

Die erhöhte Ersparnisbildung spiegelt sich in der finanziellen Vermögensbilanz der privaten Haushalte wider. Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland betrug Ende Juni 6,6 Billionen Euro. Der Hauptteil, etwa 77 %, besteht nach wie vor aus Bargeld und Einlagen sowie Versicherungsverträgen. Anteilsrechte (Aktien) und Anteile an Investmentfonds konnten vor allem durch Bewertungsgewinne im zweiten Quartal um 144 Milliarden Euro zulegen und glichen damit einen Großteil der Verluste aus dem ersten Quartal aus.

Es wäre zu früh, von einem Wandel in der deutschen Aktienkultur zu sprechen. Zutreffender müsste man sagen, dass die Geldflut sprichwörtlich alle Boote hebt. Bargeld und Sichteinlagen bleiben die Favoriten in der Krise. Die entscheidende Frage lautet, wann und vor allem wie der Geldüberhang abgebaut wird. Solange das Geld auf dem Bankkonto liegt, bleibt es neutral. Wird es investiert, steigen die Vermögenspreise so lange, bis sich wieder ein längerfristig angemessenes Verhältnis zwischen in Geld und Vermögenswerten gehaltenem Sparkapital einstellt. Wird es ausgegeben, steigen das reale Bruttoinlandsprodukt und/oder die Verbraucherpreise so lange, bis die Umlaufgeschwindigkeit des Gelds auf ihren langfristigen Trendwert zurückkehrt. Der neuerliche Lockdown im November 2020 wird sich wieder auf das Sparverhalten auswirken und den Unterschied zwischen dem Sparen der privaten Haushalte und dem Entsparen des Staates erneut vergrößern.


1 EZB, Wirtschafsbericht, Ausgabe 6/2020 S. 77 - 81

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