28.04.2020 - Kommentare

Die Pandemie stellt die Klimaaktivisten auf die Probe

von Thomas Mayer


Das verordnete Herunterfahren der Weltwirtschaft ist ein Test der These vom menschengemachten Klimawandel. Auch glühendste Klimaaktivisten haben das wohl kaum in ihren kühnsten Träumen erwartet. Eine Messstation könnte dazu bald Erkenntnisse liefern.

Schon vor, aber erst recht mit Beginn der Corona-Krise war viel vom Zusammenbruch der Aktienmärkte die Rede. Crash-Prophezeiungen entwickelten sich zu einem eigenen Kleingewerbe, dessen herausragende Vertreter mit Bestsellern wohl mehr verdienen konnten, als sie es mit seriöser Anlageberatung hätten erhoffen können.

Aber obwohl die zur Bekämpfung der Corona-Krise ergriffenen Maßnahmen zu einer wohl noch tieferen als von den Crash-Propheten erwarteten Rezession führen dürften, blieb der große Absturz am Aktienmarkt aus. Seit Jahresbeginn ist der Index MSCI World um weniger als 15 Prozent gefallen und liegt noch immer über seinem Wert von Ende 2018. Ein Crash sieht anders aus.

Ein ganz anderes Bild bietet der Ölmarkt. Der Preis für das „schwarze Gold“ ist in den vergangenen Tagen regelrecht abgestürzt und notierte zeitweise im negativen Bereich. Wer bereit war, Öl abzunehmen, wurde dafür bezahlt. Kein Crash-Prophet hatte so etwas auf dem Radar. Im Gegensatz zum Aktienmarkt, so könnte man sagen, erlebt der Ölmarkt den „perfekten Sturm“. In der Vergangenheit sanken Ölpreise mal, weil das Angebot ausgeweitet wurde, mal, weil die Nachfrage zurückging.

Heute wird der Markt von beiden Entwicklungen gebeutelt. Russland und den Opec-Ländern gelingt es nicht, das Angebot ausreichend einzuschränken, während die Nachfrage aufgrund der Rezession wegbricht. Dabei dürfte die Nachfrage nach Öl durch die Rezession mehr als die für andere Güter getroffen werden, weil wegen der Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie die Transport- und Reisebranche, die Öl als Treibstoff nutzen, besonders stark leiden.

Das Überangebot trifft auf volle Lager, sodass Händler, die auf Termin gekauft haben und denen nun Lieferungen bevorstehen, für die Abnahme des Öls auch noch bezahlen. Der Ölmarkt ist zwar der gleichen schweren gesamtwirtschaftlichen Rezession wie die Börse ausgesetzt, aber gegenüber den Krisenbranchen ist er besonders exponiert und wird von den politischen Akteuren eher geschwächt als unterstützt.

Besser als die kühnsten Träume der Klimaaktivisten

Nun könnte man meinen, dass in allem Schlechten etwas Gutes steckt. Klimaschützer wollen seit Langem die Verbrennung von Öl drosseln, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern. Nun befindet sich wegen der Corona-Pandemie rund ein Drittel der Weltbevölkerung im Lockdown, und nicht nur der Verbrauch von Öl, sondern auch der anderer fossiler Brennstoffe sinkt. Das von der Politik verordnete Herunterfahren der Weltwirtschaft ist ein gigantischer Test der These vom menschengemachten Klimawandel.

Auch glühende Klimaaktivisten haben sich wohl eine solche Prüfung der These in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Der These zufolge müsste durch den Rückgang der Verbrennung fossiler Energieträger der CO2-Gehalt der Luft sinken. Dadurch müsste der Treibhauseffekt verringert, die Erderwärmung abgeschwächt werden.

Allerdings dürfte es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis der Einfluss dieses Großexperiments auf die Erwärmung der Atmosphäre beurteilt werden kann. Wesentlich früher müssten aber die Wirkungen auf die CO2-Konzentration in der Luft zu sehen sein. Am 21. April wurden auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Loa, einer beliebten Messstation, eine CO2-Konzentration von 416,28 parts per million (ppm) gemessen.

Das waren 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch im Februar und März lagen die Konzentrationen im Monatsdurchschnitt stabil um 0,6 Prozent über den Werten des Vorjahrs. Obwohl es überall Berichte gibt, dass seit dem Lockdown die Luft besser geworden sei, weist die Messstation auf Mauna Loa also eher steigende Werte für die CO2-Konzentration aus. Aber vielleicht ist es ja noch zu früh, um die Wirkungen des Lockdown auf den CO2-Gehalt der Luft zu beurteilen.

Weniger gelassen als das Kohlendioxid reagieren die Händler am Markt der Europäischen Union für CO2-Emissionszertifikate auf die Rezession und den Crash am Ölmarkt. Wenn weniger Öl und andere fossile Energieträger nachgefragt werden, müssen auch weniger Zertifikate gekauft werden, die CO2-Emissionen erlauben. Seit Ende Februar ist der Preis um ein Fünftel gefallen.

Da die Zertifikate aber auch nach der Rezession noch gültig sind und anders als Öl problemlos aufbewahrt werden können, ergibt das auf den ersten Blick keinen Sinn. Denn die Nachfrage sollte in der Konjunkturerholung ja wieder steigen, und das Angebot an neuen Zertifikaten wird jedes Jahr verringert. Was aber, wenn wir feststellen, dass das Herunterfahren der Wirtschaft keinen sichtbaren Einfluss auf die CO2-Konzentration in der Luft hätte? Dann wäre es unsinnig, für den Ausstoß von CO2 Kosten in Rechnung zu stellen. Die Zertifikate würden wertlos.

Die Pandemie stellt einige unserer Glaubensgewissheiten auf die Probe. Die vom menschengemachten Anstieg der CO2-Konzentration gehört dazu. Vielleicht zeigen uns die Daten vom Mauna Loa ja bald, ob sie die Probe bestanden hat.

Erschienen in Welt (online) am 28. April 2020

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