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Makro

Daten-Revisionen: politische Manipulation oder Anzeichen einer Rezession?

- Pablo Duarte

KOMMENTAR. Große Korrekturen bei US-Jobdaten sind kein Beweis für politische Einflussnahme. Historisch treten sie oft in Rezessionen auf. Die jüngsten Zahlen könnten ein Warnsignal sein.

Am vergangenen Freitag veröffentlichte das Bureau of Labor Statistics (BLS) den monatlichen Arbeitsmarktbericht der USA. Der Bericht wird in den Finanzmärkten mit Aufmerksamkeit verfolgt, weil auf Schwächezeichen Leitzinssenkungen der US-Notenbank Fed folgen könnten. Zwar blieb der Arbeitsmarkt robust, doch die Zunahme der Beschäftigungsverhältnisse der beiden Vormonate wurde deutlich nach unten revidiert. US‑Präsident Trump entließ daraufhin die BLS‑Chefin und warf ihr politische Voreingenommenheit vor. Ein Blick auf die Revisionen seit 1964 zeigt keine systematische politische Verzerrung in den Beschäftigungszahlen. Stattdessen häufen sich starke Korrekturen typischerweise in Rezessionsphasen. Die jüngsten Abwärtsrevisionen könnten folglich eher ein Hinweis auf eine schwächelnde Konjunktur sein als ein Beleg politischer Einflussnahme.

Revisionen sind normal in makroökonomischen Daten

Makroökonomische Daten sind per Definition nur schwer zu erstellen. Eine Volkswirtschaft ist dynamisch und entsteht aus der Interaktion vieler einzelner Akteure. Um das Gesamtbild zu erfassen, machen statistische Ämter Stichproben und übertragen die Ergebnisse auf die gesamte Wirtschaft. Je größer und repräsentativer die Stichprobe, desto präziser die Zahl.

In den USA stützt sich das Bureau of Labor Statistics bei den Beschäftigungszahlen auf zwei Umfragen. Haushalte liefern Informationen zu Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit. Unternehmen melden die Anzahl der Beschäftigten, Arbeitszeiten und Löhne. Am ersten Freitag jedes Folgemonats publiziert das BLS eine erste Schätzung. Da noch nicht alle Betriebe bis dahin antworten, folgen in den beiden Folgemonaten Revisionen, welche die Nachmeldungen integrieren.

Im Mittelpunkt steht die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft (Non‑farm Payrolls). Sie ist im Trend über lange Zeit hinweg gestiegen, in Rezessionen gesunken (Abbildung 1, oberes Panel) und wird regelmäßig korrigiert. Die Differenz zwischen Endversion und Erstschätzung schwankt konjunkturabhängig (Abbildung 1, unteres Panel): In Abschwüngen überschätzen Erstmeldungen oft die Beschäftigung, in Aufschwüngen unterschätzen sie diese und werden nach oben revidiert.

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Die Revisionen waren größer als sonst, aber nicht beispiellos

Die jüngsten Abwärtsrevisionen wirken spektakulär, bleiben aber im historischen Rahmen. Für Mai sank der zunächst gemeldete Zuwachs von 139 000 Jobs, nach einer Zwischenkorrektur auf 144 000, auf nur 19 000; das ergibt eine Nettorevision von –120 000. Für Juni schrumpfte der Aufbau von 147 000 auf 14 000 Arbeitsplätze (–133 000). Die jüngsten Abwärtsrevisionen von –120 000 und –133 000 Stellen liegen zwischen dem 5. (–151 000) und 10. Perzentil (–117 000) der historischen Verteilung. Damit zählen sie zu den stärksten rund 7 % aller negativen Monatskorrekturen seit 1964 (Abbildung 2), sind jedoch nicht beispiellos: Seit 1964 traten in über 50 Monaten von 728 Monaten ähnlich große oder größere Korrekturen auf.
 

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Langfristig folgen die monatlichen Revisionen einer annähernd normal­förmigen Glockenkurve. Der Mittelwert beträgt 17 500 Stellen, die Standard­abweichung 110 000. Diese kleine Verzerrung zugunsten von Revisionen nach oben ist zwar statistisch signifikant, aber ökonomisch unbedeutend. Der Extremfall bleibt der Pandemieeinbruch im März 2020, als die Endversion um 696 000 Jobs niedriger lag als die Erstmeldung. Insgesamt liefert die Verteilung keinen Hinweis auf gezielte Manipulation.

Politische Verzerrung?

Der Leiterin des BLS wurde vorgeworfen, die Zahlen vor der Präsidentschaftswahl 2024 geschönt zu haben, um die damalige demokratische Kandidatin Kamala Harris zu begünstigen. Überprüfen lässt sich das kaum, doch ein Blick in die Historie der Revisionen hilft: Wenn Manipulation möglich wäre, müssten frühere BLS‑Chefs ähnlich gehandelt haben.

Die politische Manipulation könnte sich durch systematische Revisionen in eine bestimmte Richtung zeigen. Wenn das BLS den amtierenden Präsidenten begünstigen wollte, würde es den Spielraum der Ungenauigkeit der ersten Veröffentlichung nutzen, um zunächst bessere Zahlen als erwartet zu präsentieren, die erst später nach unten korrigiert werden müssten. Umgekehrt, wenn es dem amtierenden Präsidenten schaden wollte, würden zunächst schlechtere Zahlen als die tatsächlichen veröffentlicht, die erst später nach oben korrigiert würden.

Die Verteilung der Revisionszahlen zeigt keine signifikanten Unterschiede in Abhängigkeit der Partei an der Macht. Während der Amtszeiten sowohl republikanischer als auch demokratischer Präsidenten verteilten sich seit 1964 die Revisionen um den Wert Null (siehe Abbildung 3). Zwar ist der Mittelwert in beiden Gruppen positiv, und jener unter demokratischen Präsidenten etwas höher als unter republikanischen. Doch sind die Unterschiede im Verhältnis zur Streuung gering und liefern daher kein deutliches Signal für politische Manipulation. Auch die Verteilungen nach der Partei des Präsidenten, der den amtierenden Leiter des BLS ernannt hat, zeigen ein ähnliches Muster. Wurde der BLS-Leiter von einem republikanischen Präsidenten ernannt, liegt der Mittelwert der Revisionen mit 27.000 zwar etwas höher als bei einem von einem Demokraten ernannten Leiter (8.700), doch ist auch dieser Unterschied zu klein, um auf eine systematische Verzerrung schließen zu lassen.

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Allerdings könnten sich mögliche Verzerrungen erst dann zeigen, wenn der BLS-Leiter einer anderen Partei angehört als der amtierende Präsident. Die Statistik zeigt, dass es unter republikanischen Präsidenten es kaum einen Unterschied macht, ob der BLS-Leiter von einem republikanischen oder einem demokratischen Präsidenten ernannt wurde (siehe Abbildung 4). Unter demokratischen Präsidenten hingegen traten vermehrt Revisionen nach oben auf, wenn der BLS-Leiter von einem Republikaner statt von einem Demokraten ernannt wurde. Daraus zu schließen, dass republikanische BLS-Leiter eher dazu tendieren, demokratische Präsidenten zu benachteiligen, wäre jedoch verfrüht. Die leichte positive Tendenz bei den Revisionen wird ausschließlich durch die Daten der Jahre 1976 bis 1980 getrieben, als der Demokrat Jimmy Carter Präsident war. Er ernannte erst 1979 einen neuen BLS-Leiter, zwei Jahre nach seinem Amtsantritt und arbeitete zuvor mit demjenigen weiter, der 1973 von Republikaner Richard Nixon ernannt worden war. In dieser Zeit erholte sich die US-Wirtschaft von der Rezession der Jahre 1974–1975. Wie eingangs erwähnt, werden Beschäftigungszahlen in solchen Erholungsphasen typischerweise unterschätzt und später nach oben korrigiert.

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Es lässt sich also keine eindeutige politische Verzerrung in den Datenrevisionen der Beschäftigungszahlen erkennen. Die Konjunktur könnte hingegen eine wichtigere Rolle spielen. Es könnte sein, dass in Rezessionszeiten die Beschäftigungszahlen zunächst unterschätzt werden, da sich das tatsächliche Bild erst mit den verzögerten Rückmeldungen der Unternehmen verfestigt. Auch während der Erholungsphasen dürften die Zahlen zunächst unterschätzt werden, da die steigende Beschäftigung ebenfalls erst mit zeitlicher Verzögerung erfasst wird.

Fazit

Aus den Revisionszahlen lässt sich keine systematische Manipulation der Beschäftigungsdaten in den USA zugunsten einer bestimmten Partei erkennen. Dies stärkt das Vertrauen in die US-amerikanischen statistischen Institutionen. Zwar waren die Revisionen der jüngsten Daten im historischen Vergleich ungewöhnlich groß, aber nicht beispiellos. Zudem sollten weitere Faktoren berücksichtigt werden – etwa die seit der Corona-Krise gesunkene Bereitschaft von Unternehmen, auf Umfragen zu antworten, oder die aktuelle konjunkturelle Lage. Einen vom Vorgänger ernannten BLS-Leiter auszutauschen, ist für einen US-Präsidenten nicht ungewöhnlich. 

Eine gezielte Absicht, die Zahlen zugunsten des Präsidenten zu beeinflussen, wäre schädlich für das Vertrauen in die Institutionen. Die Korrelation zwischen Rezessionen und nach unten revidierten Beschäftigungszahlen sollte berücksichtigt werden. Sollten die jüngsten Revisionen konjunkturell bedingt sein, könnten sie erste Hinweise auf eine bevorstehende Rezession liefern. 

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