04.10.2022 - Kommentare

Die Blockade der Geld- und Fiskalpolitik

von Pablo Duarte


Seit Beginn der 1990er Jahre übernahm die Geldpolitik die Konjunktursteuerung und die Fiskalpolitik hielt sich zurück. Da die Inflation strukturell niedrig war, drückte die Geldpolitik die Zinsen immer tiefer. Nun ist die Inflation zurück und die Fiskalpolitik wird zur Milderung der Folgen expansiver. Zum Ausgleich müsste die Geldpolitik nun sehr restriktiv werden. Doch dadurch drohen neue Finanzkrisen. Eine effektive Bekämpfung der Inflation ist daher kaum noch möglich.

Die britische Bombe

Am 23. September kündigte die neuformierte britische Regierung um Liz Truss ein Konjunkturpaket mit dem Ziel an, durch Deregulierung und die großzügigste Steuersenkung der letzten 50 Jahre das Wachstum mittelfristig anzukurbeln. Ohne einen Finanzierungsplan der Regierung für die Steuersenkung reagierten die Finanzmärkte mit Panik. Da die Bank von England beginnen wollte, ihr Bondportfolio zu verkaufen, fürchteten die Märkte eine Welle neuer Bondemissionen bei gleichzeitigem Rückzug eines der größten Käufer. Der Markt für britische Staatsanleihen kollabierte und Pensionsfonds, die mit einer Zinswende dieses Ausmaßes nicht gerechnet hatten, gerieten in Schieflage.

Um eine neue Finanzkrise zu vermeiden, stellte die Bank von England vom geplanten „Quantiative Tightening“ auf ein erneutes „Quantitative Easing“ um. Und das bei einer Inflationsrate von 10%. Die Regierung weichte zehn Tage später ihre Steuerpläne auf. Der britische Zickzack-Kurs von Geld- und Fiskalpolitik verdeutlicht das Dilemma, in dem auch die Länder der Eurozone stecken.

Geld- vs. Fiskalpolitik

Spätestens als Ende 2021 die „Währungshüter“ der größten Währungsräumen erkannten, dass die Inflation nicht vorübergehend sei, begann eine neue Zeit für die Wirtschaftspolitik. Mit zunächst zögerlichen und später deutlicheren Anhebungen der Leitzinsen, versuchten vor allem die US-Notenbank Fed und die Bank von England die Inflation zu bekämpfen (Abb. 1).  

Gleichzeitig forderten die Bürger von ihren Regierungen einen Ausgleich für steigende Preise. Die dafür gewährten Transfers führen jedoch zu höheren Budgetdefiziten und die Fiskalpolitik wird expansiver. Zur Neutralisierung des positiven Konjunkturimpulses der Fiskalpolitik müsste die Geldpolitik noch restriktiver werden. Doch stark steigende Zinsen gefährden die Finanzstabilität.

Geld- und Fiskalpolitk in den 1980er

In einer ähnlichen Lage befand sich die Federal Reserve als Paul Volcker 1979 zum Chef der US-Notenbank Fed ernannt wurde. Die Inflationsrate lag über 11% und die Arbeitslosenquote bei 5,7% (Abb. 2).1 Dia die Inflation als das größere Übel gesehen wurde, erhöhte die Fed die Leitzinsen im November 1980 von 10% auf 17,5%. Schon die früheren Zinsanhebungen waren unpopulär und Jimmy Carter verlor die Präsidentschaftswahl an Ronald Reagan.

Reagan senkte die Steuern und die Staatsschuldenquote stieg sehr stark an (Abbildung 3). Die Fed hielt dagegen und erhöhte die Leitzinsen auf 20%. Reagan ließ es zu, obwohl die Wirtschaft in die Rezession fiel und die Arbeitslosigkeit auf über 10% stieg. Die Inflation sank auf akzeptablen Niveaus.

Warnschuss vor den Bug der Eurozone

Die Europäische Zentralbank ist der Federal Reserve und Bank von England erst zögerlich gefolgt und hat nun großen Nachholbedarf. Gleichzeitig steigt aber auch der Druck auf eine expansivere Fiskalpolitik im Euroraum. Die deutsche Bundesregierung hat eine 200 Milliarden Euro kreditfinanzierte „Gaspreisbremse“ beschlossen. Die neue italienische Regierung will die Steuern senken und Ausgaben erhöhen. Die französische Regierung drängt schon lange auf die Möglichkeit für höhere staatliche Defizite. Der während der Pandemie ausgesetzte Stabilitätspakt ist bis heute nicht wieder in Kraft gesetzt worden.

Vor diesem Hintergrund dürfte es der EZB schwerfallen, ihre „zu geldpolitischen Zwecken“ – d.h. zur Befeuerung der Inflation – gekauften Anleihen nun zur Löschung des Inflationsbrands wieder zu verkaufen. Im Euroraum dürfte die Gefahr weniger von verschuldeten Pensionsfonds als von hoch verschuldeten Staaten drohen. Ob die Erfahrung der Bank von England die EZB vor einer verstärkten Verschärfung abhält oder sie zunächst selbst die Erfahrung einer drohenden Finanzkrise machen muss, bleibt abzuwarten. Aber eine effektive Bekämpfung der Inflation ist unter diesen Umständen kaum möglich.


1 Eine detaillierte Analyse der „Great Inflation“ und die Rolle der ökonomischen Ideen bietet Kleinheyer (2022), „Die große Inflation: Lernen durch Schmerz“, Flossbach von Storch Research Institute.

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