KOMMENTAR. Die Handlungsspielräume der Schweizer Nationalbank schwinden, auch weil die Schweiz ein letzter sicherer Hafen ist. Die Zinssenkungen der EZB erzwingen Negativzinsen und Devisenkäufe. Doch die Staatsanleihen der Euroländer und der USA sind zunehmend riskant.
1. Donald Trump erschüttert auch die Schweiz
Donald Trump hat auch die Schweiz erschüttert. Am Liberation Day war sie prominent auf der Liste der „feindlichen Länder“ mit Handelsbilanzüberschüssen gegenüber den USA vertreten und wurde mit einem Strafzoll von 31 Prozent belegt.
Die erratische Zollpolitik von Donald Trump und der jüngste Gesetzesentwurf zum Staatshaushalt haben den Franken gegenüber dem Dollar stark unter Aufwertungsdruck gebracht. Die Schweizer Nationalbank (SNB) könnte gegen die Aufwertung intervenieren, doch dann kommt sie beim US-Präsidenten unter „Wechselkursmanipulationsverdacht“.
Nach dem Eklat mit Elon Musk ist die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenkrise in den USA gewachsen, so dass sich die SNB nun auch noch um ihre großen Dollarbestände sorgen muss. Und auch aus dem Euroraum kommen weitere Risiken.
2. Die Zinssenkung löst die Probleme nicht
In diesem Umfeld hat die SNB den Leitzins am 19. Juni auf null gesenkt. Die Entscheidung wirkt auf den ersten Blick unproblematisch. Denn das Preisniveau ist stabil – die Inflationsrate lag im Mai bei -0,1 Prozent – und das Wachstum hat sich abgekühlt.
Die Zinssenkung kann helfen, die Investitionen zu beleben und die Aufwertung des Franken zu bekämpfen, um der von den US-Zöllen und der Wachstumsschwäche der EU bedrohten Exportindustrie unter die Arme zu greifen.
Doch die Senkung des Leitzinses auf null hat die Schweiz wieder an die Schwelle der Negativzinsen gebracht, die bereits von 2015 bis 2022 galten (Abb. 1). Das ist aus mindestens drei Gründen riskant.

3. Negativzinsen sind riskant
Zum einen stellen positive Kreditzinsen sicher, dass in Projekte mit guter Rendite investiert wird. Wenn der Zins ins Negative fällt, werden riskante Investitionen, die auf Dauer nicht tragbar sind, wahrscheinlicher. Schwaches Wachstum und Krisen können die Folge sein.
Zum anderen belasten Negativzinsen die Banken, weil die Differenz zwischen Kredit- und Einlagenzinsen – aus denen sich die Banken finanzieren – schrumpft. Pensionskassen, die ihre Rücklagen in risikolosen, festverzinslichen Anlagen halten – müssen ihre Leistungen reduzieren.
Schließlich begünstigt billiges Geld Übertreibungen auf den Vermögensmärkten. In der vergangenen Negativzinsphase sind die Immobilienpreise in der Schweiz stark angestiegen, was insbesondere junge Menschen belastet hat.
4. Der Fluch eines hohen Nettoauslandsvermögens
Die Schweiz droht nun wieder als erstes Industrieland in die Negativzinsen abzudriften, weil sie seit Beginn der 1980er Jahre hohe Leistungsbilanzüberschüsse und damit Nettokapitalexporte hat. Die SNB hat das Nettoauslandsvermögen zum Jahresende 2024 auf 1040 Milliarden Franken beziffert (Abb. 2), wobei die Auslandsanlagen in der Regel in Fremdwährung sind.

Daraus entsteht ein Risiko, weil jede Aufwertung des Franken Bewertungsverluste erzeugt. Als die SNB im Januar 2015 ankündigte, den Franken frei schwanken zu lassen, haben plötzliche Aufwertungserwartungen einen Run in den Franken ausgelöst, der diesen schockartig aufwerten ließ. Infolge musste die SNB in großem Umfang Fremdwährung kaufen, um den Schaden für Exportindustrie und Finanzmärkte einzugrenzen.
Ein dauerhaft niedrigeres Zinsniveau in der Schweiz im Vergleich zu den USA und dem Euroraum deutet nach der offenen Zinsparität auf persistente Aufwertungserwartungen beim Franken hin. Das könnte erklären, warum inzwischen die SNB einen Großteil des Nettoauslandsvermögens in Form von Währungsreserven – Ende 2024 im Gegenwert von 823 Milliarden Franken – hält (Abb. 2).
5. Zunehmend eingeschränkte Handlungsspielräume für die SNB
Das Handlungsspielraum der SNB ist also gering, insbesondere auch deshalb, weil die niedrig-verschuldete Schweiz in einer zunehmend instabilen Welt mehr denn je als sicherer Hafen gilt. Immer wenn die Europäische Zentralbank Bank (EZB) die Zinsen senkt, dann muss die SNB folgen, damit keine Aufwertungserwartungen entstehen (Abb. 1).
Doch angesichts der schädlichen Nebenwirkungen von Negativzinsen ist der verbleibende Zinssenkungsspielraum gering, während die inhärente Instabilität des Euroraums und das angekündigte Verschuldungspaket Deutschlands weitere Zinssenkungen der EZB erwarten lassen.
Zwar kann die SNB jederzeit durch Eurokäufe eine Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro eindämmen, doch dann übernimmt sie die Ausfallrisiken der Staatsanleihen der Euroländer. Da Donald Trump die US-Treasuries als Alternative weiter unattraktiv macht, bleibt für die SNB als letzte Zuflucht nur noch das Gold – oder auch der Bitcoin. Zumindest bis die Schuldensucht in den großen Leitwährungsländern endlich ein Ende hat.
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